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Das Apotheken-Urteil

Das Apotheken-Urteil
Zum Fall
Daniel
Daniel
3 Minuten
Öffentliches Recht

Sachverhalt

Das Apotheken-Urteil geht zurück auf das Jahr 1956. Damals beantragte der angestellte Apotheker Karl-Heinz eine Betriebserlaubnis zur Eröffnung einer eigenen Apotheke im bayerischen Traunreut. Diese wurde ihm jedoch von der zuständigen Behörde, der Regierung von Oberbayern, mit Bescheid vom 29. November 1956 verweigert.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des bayerischen Apothekengesetzes (im Folgenden ApothekenG) nicht vorliegen würden. Eine Erlaubnis zur Neuerrichtung einer Apotheke dürfte u.a. nach § 3 Abs. 1 ApothekenG nur erteilt werden, wenn zum einen die Errichtung zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln im öffentlichen Interesse liege. Zum anderen müsse die wirtschaftliche Grundlage der neu errichteten Apotheke gesichert sein und es dürfte durch sie der ordnungsgemäße Betrieb der benachbarten Apotheken nicht beeinträchtigt werden.

In Traunreut sei bereits eine Apotheke vorhanden, die zur Versorgung der rund 6000 Einwohner mehr als genüge. Die Erlaubnis zur Errichtung einer weiteren Apotheke würde der vorhandenen Apotheke die wirtschaftliche Grundlage entziehen, da sich deren Umsatz in diesem Fall um ca. 40 % reduzieren würde.

Gegen diese Entscheidung legte Karl-Heinz Einspruch ein (heute: Widerspruch), der jedoch mit Bescheid vom 12. Juni 1957 zurückgewiesen wurde. Daraufhin erhob Karl-Heinz Verfassungsbeschwerde mit der Begründung, dass die Regelung in Art. 3 Abs. 1 ApothekenG gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 GG verstoßen würde und daher verfassungswidrig sei.

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Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen und ihr stattgegeben. Mit Urteil vom 11. Juni 1958 (Az. 1 BvR 596/56; BVerfGE 7, 377) hat der Erste Senat die verfahrensgegenständlichen Bescheide aufgehoben und Art. 3 Abs. 1 ApothekenG für verfassungswidrig und nichtig erklärt.

Der Senat hat zunächst ausgeführt, dass es sich bei Art. 12 GG um ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit handele. Daher gelte der Gesetzesvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nicht nur für die Berufsausübungsfreiheit, sondern auch für die Berufswahlfreiheit. Die Regelung in Art. 3 Abs. 1 ApothekenG stelle hohe Hürden für die Neuerrichtung einer Apotheke auf und greife damit in das Grundrecht der Berufsfreiheit ein. Dieser Eingriff müsse sich an der Drei-Stufen-Theorie messen lassen, einer besonderen Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Dabei müsse zwischen drei Stufen differenziert werden:

Die erste Stufe erfasse reine Berufsausübungsregelungen (das „wie“ der Ausübung). Diese könnten durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls eingeschränkt werden. Die zweite Stufe beträfe subjektive Zulassungsbeschränkungen (das „ob“ der Ausübung). Eine Einschränkung sei zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig. Die dritte Stufe erfasse objektive Zulassungsbeschränkungen (ebenfalls das „ob“ der Ausübung). Ein Eingriff könne lediglich zur Abwehr schwerer Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter erfolgen.

Bei der Regelung in Art. 3 Abs. 1 ApothekenG handele es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und damit um eine objektive Zulassungsbeschränkung, die sich an der dritten Stufe messen lassen müsse. Nach Ansicht des Ersten Senats sei jedoch nicht ersichtlich, dass ohne die Regelung eine schwere Gefahr für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter, hier die Volksgesundheit, bestünde. Dies zeige auch ein Blick in Nachbarländer mit einer Niederlassungsfreiheit für Apotheker. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei daher verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, sodass die Regelung in Art. 3 Abs. 1 ApothekenG nichtig sei.

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Anmerkungen

Das Apotheken-Urteil gehört mit zu den bedeutendsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und prägt bis heute die Auslegung und Prüfung des Grundrechts der Berufsfreiheit. Der Erste Senat hat klargestellt, dass es sich bei Art. 12 GG um ein einheitliches Grundrecht der Berufswahl und Berufsausübung handelt. Außerdem hat der Senat als besondere Form der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Drei-Stufen-Theorie entwickelt. All dies ist für Klausuren zum Thema Grundrechte essentiell und muss sicher beherrscht werden. Hierfür eignet sich der Crashkurs Grundrechte ganz besonders gut.

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Lösungsskizze

A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

  1. Zuständigkeit (+)
  2. Beschwerdeberechtigung (+)
  3. Beschwerdegegenstand (+)
  4. Beschwerdebefugnis (+)
  5. Form und Frist
  6. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität
    • Nach § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG ausnahmsweise Annahme zur Entscheidung vor Ausschöpfung des Rechtswegs (+)
  7. Ergebnis (+)

B. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde

  1. Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG
    • Einheitlicher Schutzbereich der Berufsfreiheit (+)
  2. Eingriff (+)
  3. Problem: Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
    • Generelle Einschränkbarkeit („Schranke“)
      • Gesetzesvorbehalt für Berufsausübung in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gilt auch für die Berufswahl (+)
    • Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
      1. Formelle Verfassungsmäßigkeit (+)
      2. Materielle Verfassungsmäßigkeit
        • Eingriffe in die Berufswahl müssen sich an der „Drei-Stufen-Theorie“ messen lassen
        • § 3 Abs. 1 ApothekenG enthält eine objektive Berufszulassungsregelung, die diesen Voraussetzungen nicht genügt (-)
  4. Ergebnis (+)

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